Ergänzung zum gestrigen Beitrag "Verantwortung"

22.03.2015


Gestern habe ich über das Thema Verantwortung geschrieben.

Dazu möchte ich noch folgendes ergänzen:

Wie ich gestern bereits sagte, kann man für andere keine Verantwortung übernehmen. Dennoch geschieht es sehr oft, dass wir Verantwortung für andere Menschen tragen.

Ganz besonders häufig geschieht dies in der Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern.


Auf der einen Seite tragen die Eltern Verantwortung für ihre Kinder.

Und dies wird auch von den Eltern erwartet.

Ich weiß noch gut, wie ich mich fragte, wie das denn mit der Verantwortung für meine Kinder aussieht, als diese noch klein waren.

Als ich damals meine Seele zu diesem Thema befragte, erhielt ich die Antwort, dass es diese Verantwortung nicht gibt. Selbstverständlich waren die Kinder, als sie klein und schutzbedürftig waren, in meiner Obhut gewesen. Es war meine Aufgabe für sie zu sorgen, sie ins Leben zu begleiten.

Aber schon damals gab es Grenzen. War ich verantwortlich dafür, dass meine 11/2 jährige Tochter die anderen Kinder in der Krabbelgruppe biss?

Damals hat man mir das unterstellt und ich fühlte mich schuldig. Aber ich war nicht dafür verantwortlich.

Es gab in diesen Situationen immer mindestens noch einen weiteren Schöpfer, nämlich das Opfer der Beiß-Attacke.

Ich konnte nicht mehr tun, als meinem Kind erklären, dass Beißen keine gute Lösung in Konflikten ist. Außerdem war es an mir, mein Kind nicht dafür zu verurteilen, dass es impulsiv und durchsetzungsstark war.


Aber der Satz:: „Eltern haften für ihre Kinder.“, der gilt nicht. Nein ich hafte nicht für meine Kinder. Ich bin nur mir selbst gegenüber Rechenschaft schuldig, niemandem sonst.


Auch wenn die Kinder noch klein sind, hilfsbedürftig sind, Führung brauchen, sind sie dennoch eigenständige Seelenbewusstseine, Schöpfer ihres Lebens und ihrer Lebensumstände. Sie bringen sich ihre Themen mit, sie bringen sich alte Aspekte mit, für all das bin ich nicht verantwortlich.


So hatte ich keinen Einfluss auf den Charakter meiner Kinder, bzw. heute würde ich sagen, auf die Aspekte, die sich in meinen Kindern zeigten. Ich kann ihnen ein Vorbild sein, ich kann ihnen zur Seite stehen, ich kann ihnen zeigen, wie man mit unerwünschten Aspekten umgehen kann, aber ich bin nicht dafür verantwortlich, wie sich meine Kinder entwickeln, zu welchen Erwachsenen sie heranwachsen, wie gut sie in der Schule sind.

Dennoch kann ich auch hier Unterstützung leisten. 

 

Manches Mal hat gerade meine große Tochter zu mir gesagt:

„Du immer mit deiner Eigenverantwortung.“

 

Aber wenn man zu viel Verantwortung für die Kinder übernimmt, dann lernen sie nicht, es selbst für sich zu tun. Auch ist es schwierig für sie zu verstehen, dass es um sie, um ihr Leben geht und nicht um die Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen der Eltern.

So  können viele Missverständnisse zwischen Eltern und Kindern entstehen, wenn die Eltern statt der Kinder, die Verantwortung übernehmen.


Oft kommt es mit der Pubertät auch bei den Erwachsenen zu einer neuen Haltung:

Auf einmal wollen sie die Verantwortung für ihre Kinder nicht mehr tragen. Dann verlangen sie von ihren Kindern, endlich erwachsen, vernünftig, verantwortungsvoll zu sein.

Das nenne ich die Pubertät der Eltern. Aber wirklich loslassen können sie die Kinder dann immer noch nicht. Sie haben in der Regel ihre Vorstellungen davon, wie Verantwortung auszusehen hat.

 

(Ähnlich wie Europa, allen voran die deutschen Politiker ihre Vorstellungen davon haben, was Eigenverantwortung im Falle Griechenland, bedeutet. Während sich Griechenland gerade auf sich selbst besinnt, auch seine eigenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten in den Blick nimmt, was ich Eigenverantwortung nenne, verlangt Europa von ihnen, die Interessen der Gläubiger und der EU zu befriedigen.)

Das ist so eine Sache mit der Verantwortung für andere. Man kommt an seine Grenzen, merkt das funktioniert nicht. Deshalb sind die Eltern der Verantwortung irgendwann überdrüssig. Dennoch überlassen sie ihren Kindern die Verantwortung immer noch nicht. Sie tun nur so als ob.

Das ist das Problem.

Es mangelt den Eltern an Vertrauen zu ihren Kindern, lieber haben sie alles unter Kontrolle. Häufig ist das Vertrauen nicht ausreichend entwickelt worden, weil dazu die Gelegenheiten fehlten bzw. nicht wahrgenommen wurden.

Es ist gut sich dessen bewusst zu sein, dass man Verantwortung nur für sich selbst tragen kann. Dann fällt es leichter, den Kindern rechtzeitig die Verantwortung für sich selbst zu überlassen.


Der Ablösungsprozess der Kinder von ihren Eltern ist mindestens genau so wichtig. Denn auch die Kinder haben gelernt, Verantwortung für ihre Eltern zu übernehmen.

Ich konnte in den letzten 20 Jahren sehr oft beobachten, wie Kinder sich für ihre Eltern verantwortlich fühlten, sich um sie sorgten, die Führung übernahmen, kleine Geschwister betreuten etc.

Solche Kinder, die schon im Kindergartenalter die Verantwortung für ihre Mütter/ Väter übernommen hatten, und das damals ganz hervorragend meisterten, haben es später sehr schwer, erwachsen zu werden, in ihre Verantwortung und ihr eigenes Leben zu finden.

Auch ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwierig ist, sich verantwortlich für seine eigenen Eltern zu fühlen und die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Außerdem verstehen die Eltern meist gar nicht, warum bzw. dass man sich überhaupt für sie verantwortlich fühlt. Sie wissen nichts von dieser Misere ihres Kindes, das sich sozusagen zwischen zwei Stühlen befindet.


Die Verantwortung für andere kann sehr, sehr schwer auf einem Menschen lasten. Noch dazu führt sie zu nichts, denn man ist ja eigentlich handlungsunfähig, wenn es um das Leben der anderen geht.

Die Abnabelung von den Eltern ist notwendig, um in sein eigenes Leben und in seine Eigenverantwortung zu finden.

Dazu braucht es die Akzeptanz dafür, dass alles so war wie es war.

Auch wenn man sich eine bessere Kindheit gewünscht hätte, auch wenn man sich nach einer tieferen Beziehung zu seinen Eltern sehnt, auch wenn man deren Liebe und Zuspruch vermisst hat und deshalb immer noch darauf hofft, gilt es ja zu sagen, zu allem was gewesen und nicht gewesen ist.

Die Abnabelung von den Eltern bedeutet das Loslassen aller Wünsche und Erwartungen.

Und es bedeutet auch die Verantwortung, die man als Kind für die Eltern übernommen hatte, zuerst zu erkennen und dann ebenfalls loszulassen.

Das bedeutet zugleich eine große Chance für die Beziehung zu den Eltern. Denn nur wenn das Thema der Verantwortung geklärt ist, dann ist man wirklich frei, sich auf seine Eltern einzulassen. Dann erst kann wahre Begegnung stattfinden.


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